Der übergeordnete Fokus des Wolfenbütteler Kolloquiums liegt auf den wissensgeschichtlichen und wissenstheoretischen Dimensionen von Wort- und Sprachmagie – insbesondere im Hinblick auf Fragen von Macht und Heilung. Macht spielt in magischen Wissensformationen und Praktiken nicht nur hinsichtlich ihrer Wirkweisen und gesellschaftlichen oder epistemischen Legitimität eine zentrale Rolle – etwa wenn es darum geht, wer berechtigt ist, einen Heilungszauber durchzuführen. Relevant ist Macht auch, weil Magie eng mit politischen und sozialen Ordnungsvorstellungen verknüpft ist: In vielen (vormodernen) Gesellschaften tragen magische Denk- und Handlungsweisen wesentlich zur Konstitution von Herrschaft und zur Aufrechterhaltung sozialer Stabilität bei und sind zugleich integraler Bestandteil medizinischer Praktiken. Grundlegende Fragen stellen sich: Wie wird Macht durch Wort- und Sprach-
magie – insbesondere im Horizont sozialer Kontexte sowie ihrer Medialität und Materialität – evoziert und wirksam gemacht? In welcher Weise – und mit welchen Vorstellungen über ihre Funktionsmechanismen und Legitimationen – finden Praktiken wie Segensformeln, Beschwörungen, Besprechungen oder Flüche, gesprochen oder geschrieben, Eingang in medizinische Kontexte?
Einen zentralen konzeptuellen Zugang bietet der Begriff der Wissensoikonomie, den wir vom Berliner Sonderforschungsbereich „Episteme in Bewegung“ aufgreifen. Er beschreibt die Verflechtung und Wechselwirkung von Akteuren, Institutionen, Praktiken und Dingen als konstitutive Elemente von Wissensvermittlung und -wandel. Die Verbindung von oikos (Haushalt) und nomos (Regel, Gesetz) lenkt den Blick besonders auf die sozialen, materiellen und epistemischen Rahmenbedingungen des Umgangs mit Sprachmagie sowie auf den Ordnungscharakter der beteiligten Akteursnetzwerke – und damit auf die Rationalitätsformen magischer Wirkprinzipien, wie sie durch solche Verflechtungen etabliert werden.
Als Beobachtungsgegenstände im Kontext von Sprachmagie sowie als zeitgenössische Reflexionsformen sind besonders Medien eines gelehrten und prekären Wissens (etwa Kosmologie, Medizin, Dämonologie, Alchemie) sowie literarische und bildliche Repräsentationen (z. B. narrative Texte, Malerei, Grafik oder Drucke, die Text und Bild kombinieren) genauer zu erschließen – insbesondere in Bezug auf ihre Darstellungsformen, Bewertungen und theoretischen Reflexionshorizonte. Das Kolloquium widmet sich wortmagischen Praktiken dabei besonders im Hinblick auf ihre diskursive und bildliche Verhandlung: Wie werden solche Praktiken in unterschiedlichen Wissensformationen kommentiert, gestaltet und imaginiert. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Ambivalenzen, in denen Sprach- und Wortmagie
als kulturell vertraute und zugleich immer wieder dämonisierte oder marginalisierte Praxis erscheint.